Die linke Szene in Hannover schaut nicht über den Tellerrand – oder nicht in unser Kinoprogramm

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Glückwunsch den erfolgreichen BesetzerInnen des cinéma LA CLEF in Paris !

Nach einem Jahr der Besetzung mit täglichen Kinovorstellungen hat das "Cinéma La Clef Revival" im Pariser Quartier Latin eine vermeintliche Geldschuld von ca. 60.000 Euro angehäuft. Um diesen Betrag stritt jedenfalls der Eigentümer des Gebäudes, eine Pariser Sparkasse. Überraschend gab letzte Woche das Gericht den BesetzerInnen recht. Sie müssen nicht nur keinen Cent zahlen, die Besetzung wird überdies als rechtens betrachtet und darf noch weitere sechs Monate fortgesetzt werden.

Der Verein "Home Cinema", in dem sich die BesetzerInnen organisiert haben, will das Gebäude nun kaufen und damit das einzige kollektiv betriebene Kino in Paris aufrechterhalten. Darüber hinaus soll im Gebäude eine Filmwerkstatt eingerichtet werden. Über Crowdfunding müssen hierfür 1 Million Euro (!) zusammengebracht werden.

Die Unterstützung durch die französische Filmszene, bis hin zu Verleihern und offiziellen Stellen, war und ist gewaltig – und sicher entscheidend für den Prozessgewinn. Und das Filmprogramm dieses ersten Besetzungsjahres, mit fast allabendlicher Anwesenheit von RegisseurInnen, war phänomenal.

Das Kino im Sprengel hat Anfang Oktober das "Cinéma la Clef Revival" eingeladen (siehe post weiter unten: "Ein norddeutscher Programmhinweis"). Es ging um Solidaritätsbekundung und Unterstützung, auch um Spenden. Zu diesem Zeitpunkt war das Gerichtsurteil noch nicht gesprochen. Letztlich war, der Corona-Umstände wegen, aus dem Besuch zweier Pariser Besetzerinnen ein Video-Leinwandgespräch geworden - mit anschließendem, von ihnen zusammengestelltem Kurzfilmprogramm.

So oder so, das Interesse an der Veranstaltung war gering, und ebenso war es bei dem am selben Wochenende gezeigten hochinteressanten Film „Occupied Cinema - Kinobesetzung“ über eine Kinobesetzung in Belgrad. Und das in einem ehemals besetzten Haus!

Das Kino im Sprengel wird sich jedenfalls am Crowdfunding beteiligen. An besagtem Wochenende eingegangene Spenden fließen hier ein.

Kinofreunde spendet!

Hier zum crowdfunding CINEMA LA CLEF REVIVAL

In Belgien und um Belgien herum

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Wenn alles irgendwann passiert, was irgendwie vorstellbar ist, dann ist die Verschiebung einer Filmreihe ein eher läppisches, geradezu erwartbares Ereignis, und auch die Verschiebung einer Filmreihe, nachdem das Programmheft bereits gedruckt ist, kann da keine und keinen vom Hocker hauen. Wer die Filmreihe verschoben hat und warum, ist dann schon fast nebensächlich. Jede und jeder kann es sich vorstellen, die oder der sich mit solchen Fragestellungen überhaupt beschäftigen will.

Stichwort 'überhaupt': Wie viele Leute mag es in Deutschland geben, die sich für Kino aus Belgien überhaupt interessieren? Schwer zu sagen, aber in Hannover sind es mehr als anderswo hierzulande. Und zwar deswegen, weil belgisches Kino nirgends sonst so schön präsentiert wird. Doch aufgepasst: Da - wie eingangs gesagt - alles irgendwann passiert, was irgendwie vorstellbar ist, ist auch das kein ewiges Gesetz.

Aber bevor ich hier zum Nordstadt Slam Poeten verkomme, schaut euch einfach an, was ihr verpasst, hier oder oben. Es ist ein und dasselbe. Und so - oder so ähnlich - wird‘s auch nachgeholt, voraussichtlich im bald kommenden Frühjahr.

Christoph

(ein Pseudonym, hinter dem so manche und mancher mich erkennt)

Kinopreis 2020 des Kinematheksverbunds: Kino, das zurückblickt

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Das Kino im Sprengel ist erneut mit einem bundesweiten Kinopreis ausgezeichnet worden. Mit dem Kinopreis 2020 zeichnet der Kinematheksverbund kommunale Kinos und filmkulturelle Initiativen für ihre Programmarbeit aus. Das Kino im Sprengel gewann einen mit 1.000 Euro dotierten 2. Preis in der Kategorie "Kino, das zurückblickt".

Die Jury lobte das "hannoversche Kino im Sprengel, das mit einem verlässlich beglückenden Programm aufwartet. 2019 erkundete man dort die 1980er Jahre und mit ihnen Filme von Eva C. Heldmann, Angelika Levi, Rosi S.M. und Helke Misselwitz. In der Reihe 'Vollmondkurzfilme' wagte man sich an 'Gefilmte Aktionskunst und Kunstaktionen der 60er Jahre' und außerdem an 'Frühe Filme von Rainer Boldt'". Informationen zum Kinopreis 2020 auf der Website des Bundesverband kommunale Filmarbeit Hier der Link zur Online Preisverleihung über vimeo: https://vimeo.com/472207354.

In Köln: Kunst gegen Filmkunst

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Offener Brief zur Unterstützung des Filmclubs 813

Dem Filmclub 813 in Köln, der im ehemaligen Kinosaal des Britisch Council an der Kölner Hahnenstraße seit fast 30 Jahren ein einmaliges, filmhistorisch orientiertes Programm bietet, ist vom Hauptmieter des Gebäudes, dem Kölnischen Kunstverein, fristlos gekündigt worden.

Das Kino im Sprengel gehört zu den Erstunterzeichnern eines Offenen Briefes mit der Forderung der Rücknahme der Kündigung. Mit dem Filmclub 813 sind wir seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden und agieren seit zehn Jahren auch zusammen im Kino-Netzwerk Kino Climates (siehe auch vorhergehenden post).

Hier lesen: Offener Brief an den Kölnischen Kunstverein

Hier lesen: Schreiben des Bundesverbandes Kommunale Filmarbeit e.V.

Zum Thema Kündigung des Filmclub 813 und allgemein zur stiefmütterlichen Behandlung des Films im Vergleich zu den anderen Künsten schreibt auch Lars Hendrik Gass, Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen: "Die Kinokultur der Zukunft"

Ein norddeutscher Programmhinweis

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Das Cinéma La Clef in Paris, seit September 2019 von etwa 100 Filmfreunden besetzt, war am letzten Wochenende eingeladen, in Bielefeld, Hannover und Hamburg über seine aktuelle Situation zu berichten.

Gerhard Midding (epd Film) ist auf diese kleine Tournee aufmerksam geworden und hat dem Pariser Kino sowie den drei ihm bis dahin unbekannten norddeutschen Off-Kinos – Offkino Bielefeld, Kino im Sprengel Hannover, B-Movie Hamburg – einen Beitrag gewidmet:

Ein norddeutscher Programmhinweis Gerhard Midding, 08.10.2020

Der letzte Film, den ich im "La Clef" im Pariser Quartier Latin sah, war »DIE WELT, DAS FLEISCH UND DER TEUFEL«. Es liegt einige Jahre zurück. Das Science-Fiction-Drama war gerade frisch als Reprise herausgekommen. In ihm treffen Harry Belafonte, Inger Stevens und Mel Ferrer in einem postapokalyptischen, mithin menschenleeren New York aufeinander. Es macht, in dem Rahmen, der einer MGM-Produktion 1959 offenstand, seinem Titel alle Ehre.

Wie die meisten Belafonte-Filme entwirft er eine Utopie und erzählt zugleich davon, wie Rassismus fortdauert. Für Inger Stevens hatte ich immer schon eine Schwäche, ebenso wie für die Konflikte, die in solchen Die-letzten-Menschen-auf-der Erde-Geschichten unausweichlich sind. Für anderthalb Stunden tauchte ich in eine fremde Welt ein. Das "Clef" war ein guter Ort dafür. Die unaufgeräumte Nüchternheit der Lobby signalisierte, das seine Betreiber es ernst meinten mit ihrem Programm. Ich schätzte es ohnehin als eine Passage in das Entlegene. Sein Name passte dazu: Der Schlüssel. Er öffnet die Tür zu fernen Fiktionen und Realitäten.

Seit letztem Jahr ist das Kino besetzt. Ein Kollektiv, das sich den schönen und sinnfälligen Namen "Home Cinema" gegeben hat, will es vor dem Verkauf bewahren. Es ist der alte Kinokampf: Immobilie versus Kultur. Sie kämpfen dafür, dass die Stadt Paris es erwirbt. Drei hiesige Kinos wollen ihnen an diesem Wochenende ein Forum geben. Das ist eine schöne Geste neugieriger Solidarität. Zwei der Pariser Aktivisten werden per Videoschaltung zu Gast sein. Auch das Programm, das dazu läuft, ist einladend: anarchische Kurzfilme von Luc Moullet, Eleanor Mortimer und Amos Gitai, die allesamt um das Thema Territorium kreisen. Um Geld wird es gewiss auch gehen, denn das Engagement des Kollektivs hat Schulden angehäuft.

Ich bin durch puren Zufall auf diese Initiative gestoßen. Am Freitag (9.10) bildet das "Offkino" im Bielefelder Filmhaus den Auftakt der virtuellen Tournee, danach geht es immer weiter nach Norden. Am Samstag macht das Programm Station im "Kino im Sprengel" in Hannover, am Sonntag ist es im "B-Movie" im Hamburg zu sehen. Bei meiner Internetrecherche durfte ich entdecken, was für wunderbar entlegene Filme diese Kinos auch an anderen Tagen zeigen. Ich bin dem Zufall dankbar, denn nun hat der Schlüssel noch weitere, verheißungsvolle Türen geöffnet.

Link zum Artikel: "Ein norddeutscher Programmhinweis"

Das Netzwerk KINO CLIMATES, dem sich solche nationalen und internationalen Kooperationen unabhängiger Kinos verdanken, hat seit 2019 auch ein unregelmäßig erscheinendes Publikationsorgan. Die ersten beiden filmo-Ausgaben, auf der Kino-eigenen Druckmaschine des Star & Shadow Cinema in Newcastle upon Tyne (GB) hergestellt, sind im Kino im Sprengel für je € 2,50 zu erwerben.

filmo

Einen Kino Climates Podcast hat vor kurzem das Hamburger B-Movie ins Leben gerufen. In der jüngsten Ausgabe kommt das Cinéma La Clef zu Wort:

kinoclimatespodcast.letscast.fm

Neustart Kino im Sprengel

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Liebe Freundinnen, Freunde, Kinogäste!

Auch das Kino im Sprengel kann sein im März zwangsweise unterbrochenes Programm nur mit erheblichen Einschränkungen wieder aufnehmen. Ein früherer Programmstart schien uns nicht sinnvoll, doch nun ist es soweit.

Neustart Kino im Sprengel

Unsere letzte Veranstaltung war am 19.03., die erste Veranstaltung nach der langen "Corona bedingten Pause" findet am FR 04.09.2020, 20:30 mit dem damals ausgefallenen Film "Sorry we miss you" von Ken Loach statt.

Start im September

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Liebe Freundinnen, Freunde, Kinogäste!

Auch das Kino im Sprengel kann nur unter erheblichen Einschränkungen sein Mitte März zwangsweise unterbrochenes Programm wieder aufnehmen. Ein früherer Programmstart schien uns wegen der Verunsicherung sowohl unsererseits als auch seitens der Kinobesucherinnen nicht sinnvoll. Doch nun ist es soweit. Trotz Abstands- und Hygieneregeln und reduzierter Besucherinnenzahl sollen Begegnung und Gespräch, Präsentationen und Filmgespräche mit Gästen, die Bestandteil unserer Kinopraxis sind, wieder möglich sein. Welche Änderungen es gibt, und wie die „Verhaltensregeln“ im Einzelnen aussehen werden, wird im Kino sinnfällig erklärt werden und kann auf unserer Webseite unter http://kino-im-sprengel.de/corona.php nachgelesen werden. Darüber hinaus empfehlen wir den gelegentlichen Blick auf unsere Homepage wegen aktueller Entwicklungen oder Programmänderungen. 
Wegen des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes ist unser Angebot an Sitzplätzen begrenzt. Wir möchten euch deshalb die Vorab-Reservierung von Karten über unsere Homepage dringend ans Herz legen. Einfach auf der Veranstaltungsübersicht auf das "Vorbestellungs-Icon"enter image description here klicken. Damit vermeidet ihr, dass ihr abends vor einem ausverkauften Haus steht. Wir wünschen uns, dass ihr euch mit dieser hoffentlich provisorischen Situation anfreunden könnt und dass ihr das wieder vielversprechende Programm, das für Herbst und Winter geplant ist, annehmt. Toi, toi, toi...

Eure Kinogruppe

Totale Blockade

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Liebe Freund*innen des Kino im Sprengel,

statt eines Mai-Programms können wir auch diesen Monat wieder nur ein paar Zeilen geschriebenen Text anbieten.

Unsere bereits geplanten Filmveranstaltungen werden von einer langsam vorwärtsfahrenden Corona-Raupe weitergeschoben und türmen sich auf der Schaufel. Einiges kommt dabei wohl auch unter die Ketten, neue Ideen mischen sich darunter. Und irgendwann muss aus dem Haufen wieder ein Programm entstehen. Noch wissen wir nicht, wie und wann.

Das Stadtmagazin STADTKIND, das derzeit auch nichts an Veranstaltungen anzukündigen hat, bot uns – wie allen anderen Hannoverschen Kulturveranstaltern – die schöne Gelegenheit, für die jetzige Mai-Ausgabe einen Beitrag anderer Art zu liefern, nämlich etwas über uns zu schreiben, etwa auch darüber, wie wir mit der derzeitigen Situation umgehen und klarkommen.

Franz hat sich dankenswerterweise dieser Aufgabe angenommen, und – unter zunehmenden Qualen und dem Druck des nahenden Redaktionsschlusses – etwas zu verfassen versucht. Es wurde daraus schließlich eine Kapitulationserklärung, gerichtet an uns, seine Mitstreiter*innen.

Da sein Brief durchaus einige Problematiken unseres langjährigen Kinomachens betrifft, haben wir ihn dem STADTKIND zum Abdruck übergeben und erlauben uns, ihn auch an dieser Stelle zu veröffentlichen:


"Im Kino gewesen. Geweint." (Kafka)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich hatte mich bereit erklärt, für das Mai-Programm des Stadtkinds (die Corona-Ausgabe) einen Text zum Kino im Sprengel zu verfassen. Seit zwei Wochen quäle ich mich mental damit herum und nichts will gelingen. Totale Schreibblockade. Ich spüre offenbar noch immer die Nachwirkungen der Auseinandersetzungen des letzten Jahres im Plenum, weil ich gedanklich immer wieder darauf zurückkomme.

Vielleicht kommt die Corona-Krise wie gerufen, um Abstand zu gewinnen. Unterbrechung aller Routinen und Abläufe, keine Notwendigkeit, den Laden am Laufen zu halten. Keine Auseinandersetzungen unter Zeitdruck und dem Diktat, jeden Monat ein neues Programm auf die Beine zu stellen und die jeweils aktuellen Veranstaltungen zu wuppen. Endlich Zeit für Reflexion. Vielleicht hatten die Kolleg*innen, die sich unlängst aus der Kinogruppe verabschiedet haben, doch Recht, dass wir uns einmal in Klausur begeben sollten, um unser Tun, unsere Routinen infrage zu stellen. Nicht zu dem intendierten Zweck, uns einzunorden und auf den politisch korrekten Kurs einzuschwören, sondern um grundlegend gemeinsam über den Sinn unserer Kinoarbeit und die dafür verwendeten Mittel nachzudenken.

Durch die Corona-Krise sind vor allem Einrichtungen betroffen, in denen sich viele Menschen auf engem Raum versammeln, in Theatern, bei Konzerten und in den Kinos. Wir können davon ausgehen, dass die erzwungene Schließzeit für uns noch länger andauern wird. Durch die städtische Förderung sind wir, im Gegensatz zu vielen prekär Schaffenden im Film-, Kunst- und Kulturbereich in einer privilegierten Position. Wir sollten sie nutzen. Es besteht keine Notwendigkeit zu schnellem Agieren, zum am Ball bleiben, zur ständigen Aktualisierung.

Werden wir nach Corona ein Publikum zurückgewinnen, das sich an die heimische Filmtapete, den Laptop-Bildschirm oder gar das Display des Smartphones gewöhnt hat? Wollen wir weiter mitspielen, mit dem ständigen Zwang zur Aktualität, zum Neuen, zum Event, mit dem Generieren von Klicks auf Facebook?

Ich glaube eher, dass wir das Gemeinschaftserlebnis Kino vermissen, das ansteckende Lachen bei lustigen Filmen, die anregende oder auch ärgerliche Diskussion nach dem Film in der Runde vor der Leinwand oder am Tresen.

Von daher begrüße ich die Corona-Krise, so schlimm sie auch ist, und so schlimm sie in ihren Auswirkungen noch werden wird. Wir haben Zeit gewonnen, für eine Atempause, bevor das ganze Getriebe wieder losgeht. Wie auch immer ...

Sorry, Franz

Heute Abstand, damals Gedränge

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Rückblick auf die Nordstadt Filmtage (1988 – 1999)

„Kleiner Aufwand, große Wirkung“ kann man nur bedingt sagen, denn der Aufwand war doch recht groß. Ab den 5. Nordstadt Filmtagen (1993) war ich selbst an der Organisation beteiligt. Die Filmtage fanden da bereits nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle zwei Jahre statt. Da wurden sie von vielen schon schmerzlich vermisst in der langen Zwischenzeit. Aber der Aufwand war einfach zu groß. Tatsächlich hatte eine Kerngruppe ein ganzes Jahr damit zu tun. Und nebenher sollte auch das inzwischen ‚neu gebaute‘ Kino im Sprengel noch laufen.

Nordstadt_Filmtage_1995?_Flur

Aber groß war die Wirkung tatsächlich, das Stadtteilzentrum Nordstadt platzte fast aus den Nähten. Es macht Spaß, auf den Fotos die prall gefüllten Flure und Treppenhäuser der ‚Bürgerschule’ zu sehen, die noch nicht durch Feuerschutz-Zwischentüren segmentiert war. Es gab den sogenannten Counter. Ich wusste nicht, was das bedeutete, hörte aber heraus, dass die Anderen schon Festivalerfahrung hatten. Der Counter war für sie sozusagen das Herzstück des Festivals. Es war ein kleiner Tresen, an dem die Eintrittskarten verkauft und die Karten für den Publikums-Poll ausgegeben wurden. Was war das schon wieder? Ich kannte auch dieses Wort nicht. Es waren die Stimmzettel zur Ermittlung der Lieblingsfilme, die am Sonntagabend noch einmal gezeigt wurden. Das war der einzige Preis, den man als Filmemacher*in auf den Nordstadt Filmtagen gewinnen konnte.

Über drei, später vier Tage gingen die Filmtage. Oben im Tanzsaal saß man auf Holzbänken oder auf dem Boden, hörte das Rattern der Projektoren und war gespannt, was man alles zu sehen bekäme. Die Stirnwand war als Leinwand vorher noch einmal weiß getüncht worden. Die Programmblöcke wurden im Wechsel anmoderiert und für den schon erwähnten Publikumsblock am letzten Abend wurde ein Star von außen gesucht. In einem Jahr war dies – allen unvergesslich – Jens Graas-Pfeiffer alias Manfred Krug. Er wurde daraufhin Ehrenmitglied der Film & Video Cooperative.

Nordstadt_Filmtage_1995?_Jens_G.P

Die Erwartungen des Publikums waren dem Gebotenen angemessen. Es verlangte nicht nach Hochglanzproduktionen, sondern sah sich mit Interesse an, was vor Ort und ohne Geld an – meist kurzen – Filmen entstanden war. Das war alles sehr unterschiedlich und ergab zusammen doch ein stimmiges Bild der verschiedenen Tendenzen und Gruppen, die alle irgendwie dazugehörten. Es war die Zeit des Super-8-Formats, der VHS-Bänder und auch der 16mm-Filme, die schon eine professionellere Beschäftigung mit dem Film verrieten. Die meisten davon kamen von außerhalb und waren in den Programmblöcken „Filme aus anderen Metropolen“ zu sehen, und sie gaben tatsächlich noch mehr eine Zielrichtung vor.

Die Nordstadt Filmtage boten zusätzlich Programme zur Hannoverschen Filmgeschichte, Programme zum Experimentalfilm und hochkarätige Expanded-Cinema-Auftritte. Unter den auswärtigen Gästen fand sich regelmäßig der Filmjournalist Bodo Schönfelder aus Göttingen. Er hielt die Nordstadt Filmtage für interessanter als manches der etablierten Festivals.

Die ‚Bürgerschule’, legale Insel auf dem schon freigekämpften Sprengelgelände, war der ideale Ort für das Festival. Eine öffentliche Förderung war allerdings vonnöten. Sie kam vom MWK (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur) und deckte Programmdruck, Geräteausleihen, Raummieten, Filmversand, Porto- und Telefonkosten. Außerdem gab es eine ABM-Stelle – die sich teilweise zwei Leute teilten.

Als solche geförderten Stellen vom Arbeitsamt nicht mehr ausgeschrieben wurden und außerdem die Kräfte der Aktiven zunehmend vom Kino im Sprengel gebunden wurden, war Schluss mit den Nordstadt Filmtagen. Ohnehin wären sie als umsatzschwaches Festival bei der Evaluation niedersächsischer Festivals durch die neugegründete Filmfördergesellschaft Nordmedia als nicht förderungswürdig unter den Tisch gefallen.

Eine entscheidende Wirkung des Festivals war, dass in Hannover mehr Filme gedreht wurden. Die Nordstadt Filmtage gaben einen echten Impuls, weil man sich eben darauf verlassen konnte, dass die Filme, die man machte, auch gezeigt wurden. Wo gab es das sonst?

Tatsächlich verlor sich nach 1999 in Hannover so etwas wie eine Filmszene. Einzelne blieben übrig. Das Kino im Sprengel veranstaltete zwar 2003 und 2005 noch zweimal - als schwachen Ersatz für die Nordstadt Filmtage - die sogenannten ‚Heimspieltage’, aber auch diese versiegten.

Peter Hoffmann, 5.2.2018 (überarbeitet 24.4.2020)

Der Text wurde für die Jubiläumsausgabe des "Rundbriefs" des Film & Medienbüros Niedersachsen verfasst, dort aber aus Platzgründen nicht veröffentlicht.

April, April... Storniertes Kinoprogramm

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Liebe verhinderte Kinogängerinnen und Freundinnen des Kino im Sprengel,

die ihr hoffentlich alle gesund seid!

Seit Mitte März mussten unsere Kinoveranstaltungen ausfallen. Das ist zwar schade, aber noch kein kultureller Notstand, so dass wir euch mit online-Ersatz-Angeboten verschonen.

Immerhin wollen wir euch davon in Kenntnis setzen, was für den April an Veranstaltungen vorgesehen war und abgesagt werden musste. Hier also ein Überblick über unser wegen der Osterferien ohnehin reduziertes April-Programm - ohne die Termine, versteht sich.

Nicht alle, aber einige der Veranstaltungen werden wir zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Wann, das ist noch nicht abzusehen. (Für den Film FRAUEN BILDET BANDEN ist es nun leider schon die zweite Verschiebung!)

Dann also... bleibt weiter gesund und kommt bald wieder!

Euer Kinoteam


Geplant waren... für den April 2020:


JENSEITS DES SICHTBAREN - HILMA AF KLINT (Beyond the Visible - Hilma af Klint) von Halina Dyrschka, D/SE/CH/GB 2019, 93 min., O.m.U., digital (Dokumentarfilm)

Ihr erstes abstraktes Bild malte sie 1906, lange vor Kandinsky, Mondrian oder Malewitsch. Eine Frau begründet Anfang des 20. Jahrhunderts die abstrakte Malerei - und niemand nimmt Notiz.


RÜCKENWIND - ZUKUNFT VORAUS von Franziska Wenzel, D 2019, 60 min., digital (Dokumentarfilm)

Kinopremiere in Anwesenheit von Franziska Wenzel und Jugendlichen aus Northeim.

Wie leben junge Roma in Niedersachsen, wie gehen sie mit Diskriminierung um und wie organisieren sie sich?


LIFE OF BRIAN (Das Leben des Brian) von Terry Jones, GB 1979, 94 min., O.m.U., digital mit Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Terry Jones, Eric Idle, Michael Palin (Spielfilm)

Mit "Life of Brian" schufen Monty Python einen Kultstreifen und handelten sich gleichzeitig unsinnige Blasphemievorwürfe ein. Ein Karfreitagsfilm wider das Verbot.


[An der Peripherie]

EICHEL & RANDY von Hannes Fuchs, BRD 1969, 19 min., 16mm

DAVID & ZORRO von Ernst Schmidt jr., Österreich 1968, 29 min., 16mm

PERIPHERIE von Rainer-Götz Otto, BRD 1968, 35 min., 16mm

Drei kürzere Filme aus den Jahren 1968/69, die im Zuge von Recherchen zum sogenannten "Anderen Kino" wieder auftauchten. Kino am widerständigen Rande, im 16mm-Originalformat.


FRAUEN BILDET BANDEN vom FrauenLesbenFilmCollectif LasOtras, D 2019, 77 min., digital (Dokumentarfilm)

Eingeladen waren mehreren Vertreterinnen von LasOtras

Das FrauenLesbenFilmCollectif LasOtras holt die militante Frauengruppe "Rote Zora" zurück ins feministische Bewusstsein und zeigt, wie aktuell die Kämpfe der Frauenbewegung der 1970er- und 1980er-Jahre noch heute sind.


[Elch-Kino zu Gast]

REMINISCENCES OF A JOURNEY TO LITHUANIA (Erinnerungen an eine Reise nach Litauen) von Jonas Mekas, USA 1972, 81 min., OF, 16mm (Tagebuchfilm)

Erstmals seit ihrer Emigration in die USA in den 1940er Jahren besuchen Jonas und Adolfas Mekas ihren Geburtsort und ihre Familie in Litauen - und weitere Orte ihrer Flucht.


YOURS IN SISTERHOOD von Irene Lusztig, USA 2018, 101 min., OmdU, digital (Dokumentarfilm)

Ein Porträt des geschichtlichen Ablaufs des Feminismus. Eine lange Reise und ein brückenbauender Austausch.