Nachruf auf Bernhard Marsch

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Am 15.6. ist unser langjähriger Freund Bernhard Marsch in Köln tödlich verunglückt. Nur zwei Wochen vorher war er im Kino im Sprengel zu Gast gewesen und hatte uns mit 35mm-Raritäten aus seiner umfangreichen Filmsammlung und mit einer Kiste Kölsch im Gepäck beglückt.

Auf critic.de hat Lukas Foerster einen wunderbaren Nachruf auf Bernhard geschrieben und er hat es uns gestattet, diesen hier nicht nur zu verlinken, sondern in voller Länge zu posten. Vielen Dank dafür, Lukas Foerster.

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"Freibeuter des Kinos

Mit der Sackkarre durch die Republik: Sein Leben lang war Bernhard Marsch der fröhliche Bote einer alternativen Filmgeschichte. Am Sonntag ist der Regisseur und Mitbegründer des Kölner Filmclub 813 gestorben. Ein Nachruf.

Halleluja heißt ein Film Bernhard Marschs, den der Kölner Filmclub 813 letzte Woche zeigte. Der Regisseur übernimmt auch die Hauptrolle und spielt in dem sonnigen, spritzigen Zehnminüter einen Autofahrer, der ein windiges Hare-Krishna-Pärchen in seiner kaum noch TÜV-tauglichen Karre mitnimmt. Die Tramper haben es, merkt man schnell, auf den Wagen abgesehen, hinter ihrem bekifften Dauerlächeln lauert kalte Kalkulation. Aber sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Bernhard, der sich in Halleluja als schlitzäugiger Pirat der Landstraßen inszenierte, ist vorgestern bei einem Verkehrsunfall in der Kölner Südstadt verstorben. Was die Welt alles an ihm verloren hat, werden andere, die ihn länger und besser kennen, als ich ihn gekannt habe, die vor allem mehr wissen von seinem Leben außerhalb des Kinos, eher beurteilen können. Fest steht jedenfalls: Bernhard gehört zu den Menschen, die man nicht mehr vergisst, auch wenn man ihnen nur einmal im Leben begegnet ist; zum Beispiel auf einer seiner vielen Reisen durch die Kinos und Festivals der Republik, oft zwei, drei eigene Filmkopien mit der Sackkarre vor sich her schiebend. Das kann, vielleicht, den Schock und die Trauer über diesen zu frühen Tod ein wenig lindern: Bernhard ist tot, aber sicher nicht vom Winde verweht.

Großzügig und herzlich und stur wie nur was Für mich und sicher nicht nur für mich ist Bernhard auf immer mit dem Filmclub 813 verbunden. Hier traf man ihn viele Jahre lang Abend für Abend, mehrere Tage pro Woche, vor den Filmen hinter der Kasse sitzend, mal mehr mal weniger Gäste begrüßend für ein Programm, das auch in der Offkinoszene, oder was noch von ihr übrig ist, seinesgleichen sucht; nicht zuletzt, weil die Filme nach wie vor fast ausschließlich analog projiziert werden. Handverlesene Filme für ein handverlesenes Publikum laufen im Filmclub – der gleichzeitig ganz und gar nichts Elitäres an sich hat. Im nach viel Geld und Hochkulturrenomee riechenden Kölner Kunstverein, in dessen schön designten, luftigen Kinosaal er eingemietet ist, fühlt sich der Filmclub, ein Liebhaberprojekt von Ehrenamtlichen, an wie ein Fremdkörper. Diese beiden so unterschiedlichen Institutionen an einem Ort, das kann nicht funktionieren, würde man meinen; und es hat, wie zahlreiche Prozesse, die der Kunstverein über die Jahre gegen den Filmclub geführt hat, zeigen, auch tatsächlich oft genug nicht funktioniert. Bernhard, der großzügig und herzlich sein konnte aber auch stur wie nur was, war das egal. Zum Glück. Bernhard ist 63 Jahre alt geworden und er hat sich zeitlebens, auch das ist hoffentlich ein Trost für die Übriggebliebenen, mit Dingen beschäftigt, die er liebt. Seitdem er sich in den 1980er Jahren, nach einem abgebrochenen Studium der Volkswirtschaft, dem Kino zuwandte, hieß das vor allem: Bernhard hat Filme gezeigt, gesammelt und gedreht. Sie hätten ihr Leben dem Kino verschrieben, sagt man gelegentlich über Leute wie ihn. Aber das ist viel zu einseitig formuliert. Das Kino und Bernhard haben sich gegenseitig gefunden; und sie haben es, alles in allem, ausgezeichnet miteinander ausgehalten.

Undogmatischer Eigensinn In den 1980ern und 1990ern führte Bernhard bei einer Reihe von Kurzfilmen Regie, als Teil – und man darf wohl sagen: Energiezentrum – der Kölner Gruppe, eines Zusammenhangs befreundeter Regisseure. Bernhards Filme sind luftige, einfallsreiche, generöse Komödienminiaturen, entstanden weit außerhalb aller kommerziellen Auswertungsoptionen und auch höchstens ganz am Rand des Sichtbarkeitsfeldes des Festivalbetriebs; nicht wenige davon – neben Halleluja (1995) zum Beispiel Junge Hunde (1993) oder 8 Essen III (1996, gemeinsam inszeniert mit Rainer Knepperges, Markus Mischkowski und Thomas Hermel) – sind kleine Meisterwerke, Meilensteine einer noch zu schreibenden alternativen deutschen Filmgeschichte des undogmatischen Eigensinns. Dass er, anders als einige Kölner-Gruppe-Kollegen, keinen Langfilm realisiert hat, mag man bedauern; andererseits geriet Bernhard so auch gar nicht erst in Versuchung, sein eigenes Verhältnis zum Kino den Maßgaben des Betriebs anzupassen. Das Hobby zum Beruf zu machen, ohne sich in den Fallstricken der Professionalisierung, der Welt des Networking und der Förderanträge, zu verfangen: das gelingt nicht vielen. Als Kinomacher, Kinogänger und Filmsammler gehörte Bernhards Herz den Außenseitern und Querschlägern vor allem des deutschen und europäischen Kinos der 1960er und 1970er Jahre. Filmen, denen es im Korsett der klassischen Form zu eng geworden war, die aber auch keine Anstalten machten, sich die neuen, jetzt eher intellektuellen und moralischen Korsette des Autorenkinos anzulegen. Filme von Leuten wie Klaus Lemke, May Spils und Werner Enke, Roger Fritz, auch sie alle, wie Bernhard selbst, Freibeuter des Kinos. Die Filme Marran Gosovs, eines bulgarischen Filmemachers, der in den 1960ern in München aufschlug und eine ganze Reihe verschmitzt-freizügiger Lustspiele verantwortete, hat Bernhard regelrecht adoptiert und in zahlreichen Off-Kino-Vorführungen vor dem Vergessen bewahrt.

Was es nun zu bewahren gilt Filme von Lemke, Gosov und Spils, aber auch viele, viele andere bilden das von Bernhard über die Jahre zusammengetragene, über diverse Kölner Keller und Lagerräume verteilte Ramsch-Archiv, eine Schatztruhe an Filmen, für die sich die sogenannten Filmerbe-Institutionen auch in 30 Jahren nicht interessieren werden. Das Ramsch-Archiv gilt es nun zu bewahren. Genauso wie, jetzt erst recht, den Filmclub 813, ohne den die Kinoszene Kölns keinen Pfifferling wert wäre. Zumindest nicht für Leute, die vom Kino mehr erwarten als das, was sie ohnehin schon kennen. Als die Nachricht von Bernhards Tod die Mitglieder und Stammgäste des Filmclubs erreichte, lief dort gerade Christian Hohoffs Spiel der Verlierer aus dem Jahr 1978, ein eigenartiges, klaustrophobisches Melodram aus dem Fassbinder-Umfeld, produziert von RWF selbst. Zu den größten unter den vielen Entdeckungen, die man jahraus jahrein im Filmclub 813 machen kann, zählt dieser Film nicht unbedingt. Aber es gibt eine großartige Szene, in der sich Margit Carstensen, von Eifersucht zerfressen, in einer Orange verkrallt. Dass es sich allein für diesen Moment lohnt, einen Film, der aus der Filmgeschichte herausgefallen ist und der in den letzten paar Jahrzehnten bestenfalls ein, zwei Kinovorführungen erlebt haben dürfte, wieder auszugraben: Wo sonst als im Filmclub 813 könnte man diese Erfahrung machen? Rest in peace, Bernhard." Lukas Foerster, 17.6.2025

enter image description here Und dieses Foto von Bernhard hat das Filmkollektiv Frankfurt an den Kreis der Kinoinitiativen geschickt, zu dem auch der Filmclub 813 gehörte. Besser gesagt, Bernhard hatte diesen Kreis 2011 ins Leben gerufen. Prost Bernhard!

Polizei räumt Kino in Paris

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1.3.2022

In Paris hat heute morgen ab sechs Uhr die seit einigen Wochen befürchtete Räumung des Cinéma la Clef (Revival) stattgefunden. Das traditionsreiche Programmkino im 5. arondissement war nach längerem Leerstand von Kino-AktivistInnen im September 2019 besetzt worden, um es als kollektiv geführtes Kino zu erhalten. Über drei Jahre haben die BesetzerInnen ein tägliches wechselndes Filmprogramm von einmaliger Qualität und Vielfalt mit Unterstützung fast der gesamten französischen Filmwelt auf die Beine gestellt (Eintritt auf Spendenbasis und viele berühmte Gäste, die die Aktion solidarisch durch ihre Auftritte unterstützten). Es hat nichts genutzt. Letztlich setzt das Kapital sich durch, hier in Form eines Riesenunternehmens der angeblichen Sozial- und Solidarwirtschaft, der SOS-Gruppe, die den alternativen Kultursektor nach wirtschaftlichen Maßstäben zu ihrem Zweck vereinheitlicht und umorganisiert. Wir bedauern sehr, dass es unseren FreundInnen (2020 waren zwei Vertreterinnen des La Clef Revival via Videogespräch im Kino im Sprengel zu Gast) trotz ihres bewundernswerten Engagements und Widerstands nicht gelungen ist, die sozialistische (!) Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo davon abzubringen, die Polizeikräfte zu schicken. Ein trauriger Tag für die unabhängige Kultur in Europa, das sich moralisch dem Rest der Welt so überlegen wähnt!

Nachtrag am Abend:

Die Gruppe SOS, die Anfang Februar die Räumung des Kinos beantragt hat, ist heute, am Tag der Räumung, vom Kauf des Gebäudes zurückgetreten. Wieder alles offen?

67. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen 1.-10.5.2021

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Die Oberhausen Kurzfilmtage laufen noch bis zum 10. Mai. Informationen zum Programm und zu den online-Tickets findet ihr auf der website des Festivals: kurzfilmtage.de

In Köln: Kunst gegen Filmkunst (Fortsetzung)

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Räumungsklage zum 30sten Geburtstag des Filmclubs 813

Der Kulturkampf in Köln geht in die nächste Runde. Im Oktober hatten wir bereits über die fristlose Kündigung berichtet (s.u.), die dem Filmclub 813 vom Kölnischen Kunstverein zugegangen war, dem Hauptmieter der "Brücke" (des ehemaligen Sitzes des British Council in der Nähe des Neumarkts, in dem sich der Kinosaal des Filmclubs 813 befindet). Der Kölnische Kunstverein agiert hier als Platzhirsch. Und die Stadt Köln, Garant des Untermietvertrages des Filmclubs, hat ihre Zusage, im Streit zu vermitteln, nicht gehalten. Soll der Filmclub einfach fallengelassen werden? Das Kino 813 in der Brücke ist in Köln der letzte Ort, der eine konsequente Beschäftigung mit Filmgeschichte und Filmkunst aufrecht erhält. Nun folgte Anfang Februar, ohne dass Gespräche stattgefunden hätten, die Räumungsklage.

Der Vorwand der Kündigung ist absurd: Der Filmclub soll den Kinosaal einem Dritten für eine Veranstaltung überlassen und damit gegen den Untermietvertrag verstoßen haben - eine Veranstaltung, die letztlich gar nicht stattgefunden hat. Darüberhinaus schmeckt dem Kunstverein die Person des Vorsitzenden des Filmclubs nicht. (Es geht um Bernhard Marsch, der übrigens schon mehrmals im Kino im Sprengel zu Gast war - wie auch einige anderen Mitglieder des Filmclubs 813.)

Lese hier die 2. Presserklärung des Filmclubs 813.

Unterschreibe hier die Petition zur Rücknahme der Räumungsklage

Eine Klage kommt selten allein

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In Frankreich sind aktuell gleich drei befreundete Film- und Kino-Initiativen bedroht.

1) Filmwerkstatt MTK in Grenoble. In Grenoble bekam das Kunst-Zentrum DISPEL, untergebracht in einem ehemaligen Lagergebäude, das die Region Grenoble-Alpes verwaltet, von dieser kurz vor Weihnachten eine Aufforderung zur sofortigen Räumung (zum 26.12.!) zugestellt. Die Stadt Grenoble, Garant des Mietvertrages, will sich nun aus der Verantwortung stehlen. Stadt und Region schieben sich gegenseitig den weißen Peter zu. Ende offen. Unter den betroffenen Vereinen befindet sich die Filmwerkstatt MTK, Pionier unter den europäischen Künstler-Filmwerkstätten. (Eine Reihe von KünstlerInnen aus dem Umfeld des MTK waren bereits im Kino im Sprengel zu Gast.)

2) Filmwerkstatt L'Abominable in La Courneuve. Das L'Abominable, die inzwischen größte und produktivste Künstler-Filmwerkstatt in Europa, die seit 2011 in der Pariser Banlieue, in La Courneuve, in einer ehemaligen Schulküche untergebracht ist, ist ebenfalls von der Räumung bedroht. Das Gebäude soll abgerissen, das Grundstück neu bebaut werden. Auch hier hat die Stadt ihre Zusage, für die Filmwerkstatt einen alternativen Ort zu finden, vergessen. Die Lage ist bedrohlich. (Vom L'Abominable war bisher Nicolas Rey, einer der Mitbegründer, im Kino im Sprengel zu Gast.)

3) Cinéma La Clef Revival in Paris. Die BesetzerInnen des Cinéma la Clef im Herzen von Paris, organisiert im Verein "Home cinéma", der das Gebäude erwerben will, damit das Kino auf Dauer kollektiv weiterbetrieben werden kann (siehe den Spendenaufruf im vorhergehenden Blog), hat einen unangenehmen Kaufkonkurrenten bekommen, der überdies bereits einen Vor-Kaufvertrag unterschreiben konnte. Es handelt sich um das Unternehmen "Groupe S.O.S.", das unabhängige Kulturinitiativen einzukaufen sucht, um den freien Kulturbereich zu unterwandern. Auch in diesem Fall kann nur die Stadt Paris, die hier ein Vorkaufsrecht besitzt, das Blatt wenden. Doch nachdem die Stadt sich mündlich entsprechend geäußert hatte, hält sie sich nun wieder bedeckt. Der Ausgang ist offen. (Im vergangenen Oktober waren BesetzerInnen des Cinéma La Clef per Video-Schaltung und mit Kurzfilmprogramm im Kino im Sprengel zu Gast.)

Es scheint, dass an allen drei Orten die Gunst der Stunde genutzt werden soll, dass nämlich eine Mobilisierung und Solidarisierung jenseits von online-Bekenntnissen (wie hier!) derzeit nicht möglich ist.

Allerdings: Das Crowdfunding für das Cinéma La Clef hat bereits über 70.000 € erbracht. Spendet!

Die linke Szene in Hannover schaut nicht über den Tellerrand – oder nicht in unser Kinoprogramm

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Glückwunsch den erfolgreichen BesetzerInnen des cinéma LA CLEF in Paris !

Nach einem Jahr der Besetzung mit täglichen Kinovorstellungen hat das "Cinéma La Clef Revival" im Pariser Quartier Latin eine vermeintliche Geldschuld von ca. 60.000 Euro angehäuft. Um diesen Betrag stritt jedenfalls der Eigentümer des Gebäudes, eine Pariser Sparkasse. Überraschend gab letzte Woche das Gericht den BesetzerInnen recht. Sie müssen nicht nur keinen Cent zahlen, die Besetzung wird überdies als rechtens betrachtet und darf noch weitere sechs Monate fortgesetzt werden.

Der Verein "Home Cinema", in dem sich die BesetzerInnen organisiert haben, will das Gebäude nun kaufen und damit das einzige kollektiv betriebene Kino in Paris aufrechterhalten. Darüber hinaus soll im Gebäude eine Filmwerkstatt eingerichtet werden. Über Crowdfunding müssen hierfür 1 Million Euro (!) zusammengebracht werden.

Die Unterstützung durch die französische Filmszene, bis hin zu Verleihern und offiziellen Stellen, war und ist gewaltig – und sicher entscheidend für den Prozessgewinn. Und das Filmprogramm dieses ersten Besetzungsjahres, mit fast allabendlicher Anwesenheit von RegisseurInnen, war phänomenal.

Das Kino im Sprengel hat Anfang Oktober das "Cinéma la Clef Revival" eingeladen (siehe post weiter unten: "Ein norddeutscher Programmhinweis"). Es ging um Solidaritätsbekundung und Unterstützung, auch um Spenden. Zu diesem Zeitpunkt war das Gerichtsurteil noch nicht gesprochen. Letztlich war, der Corona-Umstände wegen, aus dem Besuch zweier Pariser Besetzerinnen ein Video-Leinwandgespräch geworden - mit anschließendem, von ihnen zusammengestelltem Kurzfilmprogramm.

So oder so, das Interesse an der Veranstaltung war gering, und ebenso war es bei dem am selben Wochenende gezeigten hochinteressanten Film „Occupied Cinema - Kinobesetzung“ über eine Kinobesetzung in Belgrad. Und das in einem ehemals besetzten Haus!

Das Kino im Sprengel wird sich jedenfalls am Crowdfunding beteiligen. An besagtem Wochenende eingegangene Spenden fließen hier ein.

Kinofreunde spendet!

Hier zum crowdfunding CINEMA LA CLEF REVIVAL

In Köln: Kunst gegen Filmkunst

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Offener Brief zur Unterstützung des Filmclubs 813

Dem Filmclub 813 in Köln, der im ehemaligen Kinosaal des Britisch Council an der Kölner Hahnenstraße seit fast 30 Jahren ein einmaliges, filmhistorisch orientiertes Programm bietet, ist vom Hauptmieter des Gebäudes, dem Kölnischen Kunstverein, fristlos gekündigt worden.

Das Kino im Sprengel gehört zu den Erstunterzeichnern eines Offenen Briefes mit der Forderung der Rücknahme der Kündigung. Mit dem Filmclub 813 sind wir seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden und agieren seit zehn Jahren auch zusammen im Kino-Netzwerk Kino Climates (siehe auch vorhergehenden post).

Hier lesen: Offener Brief an den Kölnischen Kunstverein

Hier lesen: Schreiben des Bundesverbandes Kommunale Filmarbeit e.V.

Zum Thema Kündigung des Filmclub 813 und allgemein zur stiefmütterlichen Behandlung des Films im Vergleich zu den anderen Künsten schreibt auch Lars Hendrik Gass, Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen: "Die Kinokultur der Zukunft"

Ein norddeutscher Programmhinweis

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Das Cinéma La Clef in Paris, seit September 2019 von etwa 100 Filmfreunden besetzt, war am letzten Wochenende eingeladen, in Bielefeld, Hannover und Hamburg über seine aktuelle Situation zu berichten.

Gerhard Midding (epd Film) ist auf diese kleine Tournee aufmerksam geworden und hat dem Pariser Kino sowie den drei ihm bis dahin unbekannten norddeutschen Off-Kinos – Offkino Bielefeld, Kino im Sprengel Hannover, B-Movie Hamburg – einen Beitrag gewidmet:

Ein norddeutscher Programmhinweis Gerhard Midding, 08.10.2020

Der letzte Film, den ich im "La Clef" im Pariser Quartier Latin sah, war »DIE WELT, DAS FLEISCH UND DER TEUFEL«. Es liegt einige Jahre zurück. Das Science-Fiction-Drama war gerade frisch als Reprise herausgekommen. In ihm treffen Harry Belafonte, Inger Stevens und Mel Ferrer in einem postapokalyptischen, mithin menschenleeren New York aufeinander. Es macht, in dem Rahmen, der einer MGM-Produktion 1959 offenstand, seinem Titel alle Ehre.

Wie die meisten Belafonte-Filme entwirft er eine Utopie und erzählt zugleich davon, wie Rassismus fortdauert. Für Inger Stevens hatte ich immer schon eine Schwäche, ebenso wie für die Konflikte, die in solchen Die-letzten-Menschen-auf-der Erde-Geschichten unausweichlich sind. Für anderthalb Stunden tauchte ich in eine fremde Welt ein. Das "Clef" war ein guter Ort dafür. Die unaufgeräumte Nüchternheit der Lobby signalisierte, das seine Betreiber es ernst meinten mit ihrem Programm. Ich schätzte es ohnehin als eine Passage in das Entlegene. Sein Name passte dazu: Der Schlüssel. Er öffnet die Tür zu fernen Fiktionen und Realitäten.

Seit letztem Jahr ist das Kino besetzt. Ein Kollektiv, das sich den schönen und sinnfälligen Namen "Home Cinema" gegeben hat, will es vor dem Verkauf bewahren. Es ist der alte Kinokampf: Immobilie versus Kultur. Sie kämpfen dafür, dass die Stadt Paris es erwirbt. Drei hiesige Kinos wollen ihnen an diesem Wochenende ein Forum geben. Das ist eine schöne Geste neugieriger Solidarität. Zwei der Pariser Aktivisten werden per Videoschaltung zu Gast sein. Auch das Programm, das dazu läuft, ist einladend: anarchische Kurzfilme von Luc Moullet, Eleanor Mortimer und Amos Gitai, die allesamt um das Thema Territorium kreisen. Um Geld wird es gewiss auch gehen, denn das Engagement des Kollektivs hat Schulden angehäuft.

Ich bin durch puren Zufall auf diese Initiative gestoßen. Am Freitag (9.10) bildet das "Offkino" im Bielefelder Filmhaus den Auftakt der virtuellen Tournee, danach geht es immer weiter nach Norden. Am Samstag macht das Programm Station im "Kino im Sprengel" in Hannover, am Sonntag ist es im "B-Movie" im Hamburg zu sehen. Bei meiner Internetrecherche durfte ich entdecken, was für wunderbar entlegene Filme diese Kinos auch an anderen Tagen zeigen. Ich bin dem Zufall dankbar, denn nun hat der Schlüssel noch weitere, verheißungsvolle Türen geöffnet.

Link zum Artikel: "Ein norddeutscher Programmhinweis"

Das Netzwerk KINO CLIMATES, dem sich solche nationalen und internationalen Kooperationen unabhängiger Kinos verdanken, hat seit 2019 auch ein unregelmäßig erscheinendes Publikationsorgan. Die ersten beiden filmo-Ausgaben, auf der Kino-eigenen Druckmaschine des Star & Shadow Cinema in Newcastle upon Tyne (GB) hergestellt, sind im Kino im Sprengel für je € 2,50 zu erwerben.

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Einen Kino Climates Podcast hat vor kurzem das Hamburger B-Movie ins Leben gerufen. In der jüngsten Ausgabe kommt das Cinéma La Clef zu Wort:

kinoclimatespodcast.letscast.fm

14. Bundeskongress der Kommunalen Kinos

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KINO HEUTE. CINEMA & BEYOND Hannover, 07.‐09. Dezember 2018

Kino im Sprengel & Kino im Künstlerhaus

Auf den Spuren der aktuellen Debatten um die Zukunft des Kinos widmet sich der diesjährige Bundeskongress der Kommunalen Kinos verschiedenen Ausdrucksformen und der Wahrnehmungsgeschichte der – digitalen wie analogen – Projektion von Film und dem Ereignis Kino. Es wird die Frage nach der Einzigartigkeit des Kinos und seiner Rolle im Heute des 21. Jahrhunderts gestellt. Wissenschaftlich, praxisnah und unter Beachtung wirtschaftlicher Aspekte wollen wir uns durch die Diskursgeschichte des Kinos bewegen und seine Veränderungen sowohl historisch beleuchten als auch zeitgenössisch reflektieren. Wir wollen die historischen und theoretischen Debatten um das Medium Kino aufgreifen und Kinobetreiber*innen zusammenbringen, die seine Rolle hinterfragen und (neu) bestimmen – als Institution zwischen wirtschaftlicher und kultureller Bedeutsamkeit; als Ort zwischen dem Archiv der Erinnerungen – Ereignisse – Materialien und der Produktion phantastischer Welten und Lebensentwürfe; als Akteur zwischen Ästhetik und Politik, als Modell zwischen Unbezahlbarkeit und Kommerz. Und wir wollen das Kino feiern! Von seiner sinnlichen Präsenz für die Zukunft lernen und von seinem unbestrittenen Mehrwert einmal mehr profitieren.

In Vorträgen der Expertinnen und Wissenschaftlerinnen werden die historische Entwicklung des Kinos und seine Diskursgeschichte sowie seine veränderte(n) Rolle(n) im Laufe der vergangenen Dekaden näher beleuchtet. In den Panels vermitteln die Filmvorführerinnen, Archivarinnen, Filmrestauratorinnen, Kuratorinnen und Kinoarbeiterinnen Wissen zu verschiedenen Filmformaten, Projektions‐ und Aufführungspraktiken, digitaler und analoger Filmspeicherung. In fachspezifischen „Open Spaces“ und „World Cafés“ (zum Thema Vorführung und Projektion, Kopien‐ und Rechtedisposition, Kuratieren von Filmprogrammen) tauschen sich die Fachbesucherinnen zu konkreten Arbeitsfeldern in ihrem Alltag aus und gewinnen sowohl neue Kontakte als auch neue Einblicke und Erfahrungen.

In den Kongress begleitenden Podiumsdiskussionen diskutieren Vertreterinnen diverser Sparten der Kinobranche mit Film‐ und Medienwissenschaftlerinnen die Eigenarten, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen „Kinogattungen“ und zeichnen gemeinsam das aktuelle Bild der Kinolandschaft in Deutschland.

Die Fachtagung wird durch ein öffentliches Filmprogramm in den beiden Veranstaltungsorten Kino im Künstlerhaus – Kommunales Kino Hannover und Kino im Sprengel begleitet. Neben Filmen zum Thema, die sich der Filmkunst in ihrer Materialität, dem Filmemachen und dem Kino in seinen unterschiedlichsten Facetten und Bedeutungen widmen, werden Filme aus niedersächsischen Archiven und regionaler Produktion sowie weitere filmische Raritäten und Wiederentdeckungen gezeigt.

Programm zum Bundeskongress der Kommunalen Kinos