Offener Brief an die Kulturdezernentin der Landeshauptstadt Hannover

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Stellungnahme zur Stellenausschreibung "Leitung Kommunales Kino im Künstlerhaus" vom 31.3.2023

Sehr geehrte Frau Beckedorf,

vom Kulturbüro wurden wir gebeten, die Stellenausschreibung für eine neue Leitung des Kinos im Künstlerhaus in unseren Netzwerken zu verbreiten.

Wir möchten diese Ausschreibung, die im Übrigen jetzt ausläuft, nicht verbreiten. Zum einen erscheint sie uns von ihren Anforderungen her niemandem zumutbar, zum anderen scheint sie darauf angelegt, einem anspruchsvollen Filmprogramm im Kino im Künstlerhaus den Garaus zu machen. Die in der Ausschreibung angekündigte Neuausrichtung des Kommunalen Kinos empfinden wir als Bedrohung für die Filmkultur in Hannover.

1) Kinokultur

Wir sehen in dieser Stellenausschreibung einen Versuch, das Kommunale Kino als Ort der Filmkultur in Frage zu stellen und es in einen Ort "niederschwelliger" Angebote, das heißt vermutlich anspruchsloser Unterhaltung zu verwandeln.

Es fällt bei Lektüre der Ausschreibung sofort auf, dass das Kino als eigenständige Institution erst im zweiten Absatz der Orts- und Stellenbeschreibung genannt wird. Stattdessen wird an erster Stelle hervorgehoben, über welch attraktive Veranstaltungsräume das Künstlerhaus verfügt. Diese Räume sollen von der neuen Kinoleitung irgendwie bespielt werden. Das Kino und damit das Filmprogramm selbst scheint in dieser Stellenausschreibung lediglich von zweitrangiger Bedeutung. Das macht uns stutzig.

Weiter fällt auf, dass in der Beschreibung dessen, was das Kommunale Kino bisher leistet, an erster Stelle die Kinder- und Jugendarbeit genannt wird. Dies ist eine erstaunliche Sicht auf das Programm des Kinos im Künstlerhaus/des Kommunalen Kinos, das vor allem in seiner Frühzeit in den 1970er Jahren zu einem der wichtigsten Aufführungsorte für experimentelle und avantgardistische Filmkunst in der Bundesrepublik zählte. Und von dem gleichzeitig die Filmgeschichte immer in den Blick genommen wurde. Der "Kinofuchs" soll jetzt offenbar zum kulturellen Aushängeschild des Kommunalen Kinos erklärt werden.

An zweiter Stelle werden die Kooperationen genannt. Damit wird, auch wenn dies nicht ausgesprochen wird, eine Ausrichtung des Kinos auf Außerfilmisches nahegelegt. Denn bei Kooperationen geht es meist um eine jeweilige inhaltliche Thematik. Film wird dabei leicht zum künstlerisch verpackten Meinungsmedium und zum Mittel nivellierender Soziokultur. Das hat mit Filmkunst nichts zu tun. Von Kunst ist bezeichnenderweise in dieser Stellenausschreibung auch an keiner Stelle die Rede. Film/Kino als eigenständige Kunst und Wahrnehmungsform wird hier verleugnet. So bleibt auch die Filmgeschichte, die seit ihren Anfängen ein wesentlicher Schwerpunkt der Kommunalen Kinos ist, unerwähnt.

Geradezu alarmierend erscheint uns der fettgedruckte Hinweis auf einen anstehenden Transformationsprozess, der nicht weiter beschrieben und begründet wird. Soll in der verzerrten Beschreibung des Ist-Zustandes die intendierte Transformation bereits vorweggenommen werden? Offenbar soll das Kino als eigenständiger kultureller Raum beschnitten werden, um in ein ominöses Gesamtgefüge Künstlerhaus beziehungsweise Kulturdreieck "eingebettet" zu werden.

Uns scheint, dass diejenigen, die diese Stellenausschreibung formuliert und gegen die Einwände des derzeitigen Kinoleiters Ralf Knobloch-Ziegan durchgesetzt haben, wenig Kenntnis und kein gesteigertes Interesse an Kinokultur haben. Von einer Stadt, die sich erst vor kurzem als Kulturhauptstadt profilieren wollte, wäre eigentlich Anderes zu erwarten.

2) Arbeitsumfang

Die Stellenbeschreibung stellt – unabhängig von der oben formulierten Kritik – Anforderungen, die unseres Erachtens von einer einzigen Person nicht zu erfüllen sind, Anforderungen, die die Kräfte und Möglichkeiten einer Person bei weitem überschreiten.

Wie kann erwartet werden, dass eine Person ein Kinoprogramm auf die Beine stellt und gleichzeitig Events im ganzen Haus und Kooperationen in alle Richtungen organisiert? Zumal wir aus Erfahrung wissen, dass Kooperationen nicht weniger, sondern mehr Arbeit machen als die autonome Erarbeitung eines anspruchsvollen Programms.

Desweiteren soll die neue Kinoleitung Festivals von überregionaler Bedeutung aus dem Hut zaubern. Welcher Superman oder welche Wonderwoman schweben der Kulturbehörde vor?

Der neuen Kinoleitung wird, wie es heißt, großer Gestaltungsspielraum geboten. Dem stehen aber ganz offensichtlich finanzielle Einschränkungen gegenüber. Dies wird anhand der geforderten Drittmittelakquise ersichtlich, dem Aufbau von Geschäftskontakten und der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen, privaten Geldgebern etc.

Hier scheint uns – abgesehen von einer Überforderung der Kinoleitung – auch die Freiheit der Programmgestaltung in Frage gestellt. Einer anspruchsvollen Programmleitung sollte in erster Linie Unabhängigkeit zugestanden werden. Womit keinem autoritären Führungsstil das Wort geredet werden soll.

In der Stellenbeschreibung ist zwar von einem Team die Rede, es wird aber nicht gesagt, wie viele Personen dieses Team umfasst und welche Tätigkeiten von ihm übernommen werden. Auch dieses Team wird vermutlich durch die Anforderungen an seine Leitung überfordert werden.

3) Bewerbungsfrist

Sehr überrascht sind wir von der Tatsache, dass die Stelle der Kinoleitung erst jetzt ausgeschrieben wurde, wo doch schon lange bekannt sein dürfte, dass Ralf Knobloch-Ziegan Ende dieses Monats in den Ruhestand geht. Und eine Bewerbungsfrist von nicht einmal drei Wochen, ausgerechnet in der Zeit der Osterferien, lässt uns stark an einem gut durchdachten Verfahren zweifeln.

Fazit

Wir sprechen an dieser Stelle dem scheidenden Leiter des Kommunalen Kinos, Ralf Knobloch-Ziegan, unsere Anerkennung für die geleistete Arbeit aus. Die Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte, vor allem der Besucherrückgang, sind gesamtgesellschaftlicher Art: Digitalisierung, Auflösung der Öffentlichkeit im realen Raum, Tendenz zu einem ahistorischem Gesellschaftsverständnis...

Als Kino im Sprengel betrachten wir uns weder als Konkurrenz noch als möglichen Ausgleich für ein geschwächtes Kommunales Kino. Wir sehen daher die Kino-Politik des Kulturbüros mit Besorgnis.

Wir plädieren für eine Neuausschreibung der Stelle mit angemessenem Profil.

Das Kollektiv des Kino im Sprengel 17.4.2023

Hier zur Stellenausschreibung der Stadt Hannover vom 31.3.2023