Ein norddeutscher Programmhinweis
Das Cinéma La Clef in Paris, seit September 2019 von etwa 100 Filmfreunden besetzt, war am letzten Wochenende eingeladen, in Bielefeld, Hannover und Hamburg über seine aktuelle Situation zu berichten.
Gerhard Midding (epd Film) ist auf diese kleine Tournee aufmerksam geworden und hat dem Pariser Kino sowie den drei ihm bis dahin unbekannten norddeutschen Off-Kinos – Offkino Bielefeld, Kino im Sprengel Hannover, B-Movie Hamburg – einen Beitrag gewidmet:
Ein norddeutscher Programmhinweis Gerhard Midding, 08.10.2020
Der letzte Film, den ich im "La Clef" im Pariser Quartier Latin sah, war »DIE WELT, DAS FLEISCH UND DER TEUFEL«. Es liegt einige Jahre zurück. Das Science-Fiction-Drama war gerade frisch als Reprise herausgekommen. In ihm treffen Harry Belafonte, Inger Stevens und Mel Ferrer in einem postapokalyptischen, mithin menschenleeren New York aufeinander. Es macht, in dem Rahmen, der einer MGM-Produktion 1959 offenstand, seinem Titel alle Ehre.
Wie die meisten Belafonte-Filme entwirft er eine Utopie und erzählt zugleich davon, wie Rassismus fortdauert. Für Inger Stevens hatte ich immer schon eine Schwäche, ebenso wie für die Konflikte, die in solchen Die-letzten-Menschen-auf-der Erde-Geschichten unausweichlich sind. Für anderthalb Stunden tauchte ich in eine fremde Welt ein. Das "Clef" war ein guter Ort dafür. Die unaufgeräumte Nüchternheit der Lobby signalisierte, das seine Betreiber es ernst meinten mit ihrem Programm. Ich schätzte es ohnehin als eine Passage in das Entlegene. Sein Name passte dazu: Der Schlüssel. Er öffnet die Tür zu fernen Fiktionen und Realitäten.
Seit letztem Jahr ist das Kino besetzt. Ein Kollektiv, das sich den schönen und sinnfälligen Namen "Home Cinema" gegeben hat, will es vor dem Verkauf bewahren. Es ist der alte Kinokampf: Immobilie versus Kultur. Sie kämpfen dafür, dass die Stadt Paris es erwirbt. Drei hiesige Kinos wollen ihnen an diesem Wochenende ein Forum geben. Das ist eine schöne Geste neugieriger Solidarität. Zwei der Pariser Aktivisten werden per Videoschaltung zu Gast sein. Auch das Programm, das dazu läuft, ist einladend: anarchische Kurzfilme von Luc Moullet, Eleanor Mortimer und Amos Gitai, die allesamt um das Thema Territorium kreisen. Um Geld wird es gewiss auch gehen, denn das Engagement des Kollektivs hat Schulden angehäuft.
Ich bin durch puren Zufall auf diese Initiative gestoßen. Am Freitag (9.10) bildet das "Offkino" im Bielefelder Filmhaus den Auftakt der virtuellen Tournee, danach geht es immer weiter nach Norden. Am Samstag macht das Programm Station im "Kino im Sprengel" in Hannover, am Sonntag ist es im "B-Movie" im Hamburg zu sehen. Bei meiner Internetrecherche durfte ich entdecken, was für wunderbar entlegene Filme diese Kinos auch an anderen Tagen zeigen. Ich bin dem Zufall dankbar, denn nun hat der Schlüssel noch weitere, verheißungsvolle Türen geöffnet.
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Das Netzwerk KINO CLIMATES, dem sich solche nationalen und internationalen Kooperationen unabhängiger Kinos verdanken, hat seit 2019 auch ein unregelmäßig erscheinendes Publikationsorgan. Die ersten beiden filmo-Ausgaben, auf der Kino-eigenen Druckmaschine des Star & Shadow Cinema in Newcastle upon Tyne (GB) hergestellt, sind im Kino im Sprengel für je € 2,50 zu erwerben.
Einen Kino Climates Podcast hat vor kurzem das Hamburger B-Movie ins Leben gerufen. In der jüngsten Ausgabe kommt das Cinéma La Clef zu Wort: